
In Diktaturen (z. B. Nazi-Deutschland, Franco-Spanien, DDR, Videla-Argentien) und instabilen politischen Systemen (z. B. Libanon, Sri Lanka, Vietnam) sowie politischen Kontexten, in denen ethnische Bevölkerungsgruppen diskrimiert wurden (z.B. Israels Mizrachim-Kinder der 1950er Jahre, “Stolen Generation” in Australien), kam es und kann es immer wieder zum Raub von Kindern kommen.
Der Grad an politischer und/oder institutioneller Systematik, mit welcher der Kinderraub durchgeführt wurde, ist bisweilen sehr schwierig zu bestimmen.
Ebenso bleibt in vielen Beispielen selbst nach Jahrzehnten der Aufarbeitung eine Diskrepanz über die Frage bestehen, wie viele Kinder gestorben waren (deren Tod später aber falsch dokumentiert wurde), wie viele Eltern doch zunächst einer Adoption zugestimmt hatten (diese später aber bereuten) und wie viele Kinder Opfer von tatsächlichem Kindesraub und damit Menschenhandel wurden.
„Die Seele einer Gesellschaft offenbart sich nirgendwo deutlicher als in der Art und Weise, wie sie mit ihren Kindern umgeht."
Nelson Mandela (1995)

Letztere Betroffene wurden den Eltern zumeist als Säuglinge und Kleinkinder unter falschem Vorwand weggenommen oder entführt. Später teilten die Verantwortlichen den Eltern dann häufig den Tod der Kinder mit. In anderen Fällen wurden die Eltern aber auch ermordet. Die Kinder wurden dann zur Zwangsadoption freigegeben oder in systemnahe Familien überführt. Häufig wissen solche Kinder auch später als Erwachsene nicht um ihre eigentliche Identität. Auch manche Adoptionsfamilien sind sich gar nicht bewusst, dass sie ein geraubtes Kind adoptiert haben.
Manche Kinder wachsen in Adoptivhaushalten auf, die sich ethnisch bisweilen stark von denen ihrer biologischen Familien unterscheiden. Hierbei wiegt der Raub der Sprache, Kultur und ethnischen Zugehörigkeit extra schwer auf den Betroffenen.
Wenn Menschen erfahren, dass sie in der Tat ihren biologischen Eltern entrissen wurden und unter Verschleierung ihrer wirklichen Herkunft aufwachsen mussten, sind sie schwer erschüttert. Die Frage nach der eigenen Identität stellt sich vehement. Aber auch die Geschichte, die zum Raub der eigenen Person führte, will verstanden werden. Die Leerstelle der eigenen Abstammung drückt sich als starkes psychisches Unbehagen aus.
Auch deshalb suchen geraubte Kinder selbst noch im hohen Alter nach ihren Ursprungsfamilien (z.B. bei Lebensborn-Kindern). Sie möchten Klarheit darüber, woher sie kommen, auch wenn ihre Eltern nicht mehr am Leben sind. Durch DNA-Analysen rückt dies in den Bereich des Möglichen.